Heimliche Affaire

Mittwoch, 21. November 2007

Wertschätzung.

Wertschätzung, sagt die Therapeutin.
Sie müssen das wertschätzen! Sonst macht der ganze Kummer ja gar keinen Sinn.
Abschied muss man würdigen.

Verstehe ich das also richtig (korrigieren Sie mich bitte, wenn nicht): den Bösen Mann, der daran Schuld ist, dass ich hier jetzt sitze, weil er mit seiner eigenen defizitären Selbsteinschätzung dafür gesorgt hat, dass mein ganzes, vielleicht nicht gerade wohlsortiertes, aber durch seine eigene Chaotik für meinen Geschmack trotzdem freundliches und erfülltes Leben innerhalb von 8 Monaten komplett in seinen Grundfesten zusammengebrochen ist, den soll ich jetzt also wertschätzen.

Ich kneife die Augen zusammen, und siehe da, da ist er wieder, POPP, mich umschmeichelnd, umsorgend, beschenkend, er liebt mich, ich bin die Frau seines Lebens, noch nie hat er eine Frau so sehr geliebt wie mich, noch nie hat er sich wirklich von Herzen Kinder gewünscht mit jemandem, erst ich bringe diese Facette plötzlich in ihm hervor; wir schauen uns gemeinsam Häuser an, skurrile, nicht der Norm entsprechende, kleine Häuser mit kaum nutzbar geplanten Räumen, dafür mit vielen Schrägen und dem Charme von irischen Hochmoor-Cottages bei annem Kamin und mit Rotwein in der Hand (selbstredend während draußen der Regen stundenlang an die von der Feuerwärme unverletzbar imprägnierten Fenster prasselt).
Geborgenheit.

Natürlich, es ist nicht ganz einfach, wenn man eigentlich schon verheiratet ist.
Und zwei kleine Kinder hat.
Richtig.
Das hatte Mann wohl kurz vergessen, aber da er ja seine Frau schon seit Jahren nicht mehr liebt und sie sich auch frecherweise weigert, Körperflüssigkeiten mit ihm auszutauschen, höchstens alle paar Monate mal (wo kommen wir denn da hin!).
Nicht wahr.

Lieber ein Ende mit Schrecken, endlich ist die Rettung da, der in seiner Eitelkeit geschundene Ehegatte hatte die Hoffnung auf ein besseres Leben schon aufgegeben - die Rettung! Die Rettung bin ich. Ich komme in seine zutiefst unbefriedigende und vom Verzicht ausgemergelte Existenz wie ein Engel, und so wird dann auch mein Name sein für einige Monate: àngel, Spanisch für Engel. Wir korrespondieren in dieser für uns beide neutralen Boden darstellenden Sprache aus Angst, die sich häufenden Briefe, Mails und SMS könnten von solchen Augen entdeckt werden, die damit nichts zu schaffen haben.

[Als Rettung, muss man sagen, bin ich wirklich prima.
Ehrlich.
Ich weiß gar nicht, was da los ist, aber seit die ersten Pickel auf mir sprossen, umlagert immer mindestens eine Seele meinen Kosmos und will gerettet werden. Dafür reicht es, dass ich einfach nur anwesend bin. Es schaut so aus, als stülpte sich mein Kharma ohne weiteres Zutun geduldig, bloß mit ein bisschen Energie, Freundlich- und Fröhlichkeit ausgestattet, über Schmerz und Verzweiflung unbeteiligter Dritter wie ein Kondom, dabei - nicht immer, aber doch mit mir völlig befremdlicher Erfolgsquote - in der Basis getröstete Menschen entlassend, die vorübergehend mehr zustande bringen als sich stammelnd hinter Bierflaschen zu verstecken.]

Diese Eigenschaft, die weiß ich sehr wohl zu wertschätzen. Die würdige ich auch gern, bis der Arzt kommt.

Aber nicht für den Bösen Mann. Für den nicht. Für DEN NICHT!

Ich sage der Therapeutin, dass mir nix einfällt, was ich am Bösen Mann würdigen könnte, und dass ich ausgesprochen sauer wäre und überhaupt gar kein Bedürfnis hätte, die grässliche Narbe, die mich seit einigen Monaten ganz tief drinnen so sehr schmerzt, dass sie mich schlussendlich vor sie, die Therapeutin, geführt hat, zu wertschätzen.

Meine Wut ist allumfassend.

Immerhin. Ich bin wütend. Ein kleiner Schritt nach vorn.
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